Berufserfahrung zahlt sich für die Rente nicht aus

Karriere auf Umwegen: Altersgrenze verhindert Beamt*innenstatus

Für den Beruf der Berufsschullehrerin hat sich die Tarifbeschäftigte Marei Heinke erst spät entschieden. Obwohl sie ein Leben lang gearbeitet hat, wirkt sich das negativ auf ihre Rente aus.
Berufserfahrung zahlt sich für die Rente nicht aus

iStock.com/Gudella

Karrierewege verlaufen nicht immer gradlinig: Arbeitnehmer*innen haben Ausfallzeiten durch Selbstständigkeiten oder Kinderziehung, Zeiten der Arbeitslosigkeit oder streben berufliche Veränderungen an. So war es auch bei der ehemaligen Krankenschwester Marei Heinke. Erst im Alter von 40 Jahren beginnt sie, als Berufsschullehrerin zu arbeiten und nimmt Einbußen bei der Rente in Kauf. Aus eigener Erfahrung rät sie Seiteneinsteiger*innen deshalb dazu, sich mit ihren Finanzen detailliert auseinanderzusetzen.

In deinem bisherigen Erwerbsleben hast du lückenlos in die Rentenkasse eingezahlt. Bist du mit Blick auf deinen Ruhestand damit zufrieden? Hast du zusätzlich privat fürs Alter vorsorgen müssen?

Die Frage nach meiner persönlichen Zufriedenheit ist nicht einfach zu beantworten. Es macht mich zufrieden, dass sich meine Entscheidung, noch mit Hilfe der Hans-Böckler-Stiftung zu studieren und als Lehrerin zu arbeiten, positiv auf die zu erwartende Rente auswirkt.

Unzufrieden macht mich die Unsicherheit, wie sich die Lebenshaltungskosten entwickeln werden und ein gewisser Lebensstandard bis ins hohe Alter zu gewährleisten ist. Bei meiner Mutter erlebe ich gerade, dass Pflegebedürftigkeit ein Kostenfaktor ist, der dazu führt, dass die eigene Rente nicht reicht. Um die zu erwartende Rentenlücke zu schließen, habe ich zusätzlich eine Riesterrente abgeschlossen und in Wohneigentum investiert.

Langjährige Erwerbsbiografien sind heute selten. Ausbildungswege sind lang und häufig nicht geradlinig. Ist das deutsche Rentenmodell noch zeitgemäß?

Zu meinen Aufgaben als Berufsschullehrerin gehört auch die Berufsberatung. Das System der beruflichen Bildung ist vielfältig, unsere duale Ausbildung ist beispielhaft und lebenslanges Lernen ist nötig, aber auch möglich. Brüche in der Erwerbsbiografie können unter anderem an fehlender Flexibilität, mangelnden Ideen oder ungenügender Beratung liegen. Ein Ziel muss sein, dass vermehrt unbefristete sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse geschaffen werden und so jede*r die Möglichkeit hat, Rentenansprüche zu erwerben. Prinzipiell kann ich mir im Moment kein ein anderes Modell vorstellen.

Für unzeitgemäß und damit problematisch halte ich den Umstand, dass durch Nullrunden, steigende Krankenkassenbeiträge und Erhöhung krankheitsbedingter Kosten stillschweigend den Rentner*innen finanzielle Einbußen aufgebürdet werden. Außerdem besteht nachweislich für Alleinerziehende und Familien mit Kindern ein Armutsrisiko, das über das Erwerbsleben hinaus im Alter noch größer werden wird. In diesen Fällen fehlt die finanzielle Möglichkeit, noch eigene Rücklagen zu bilden. Hier müssten Freibeträge, Ausfallzeiten und staatliche Zuschüsse für die Rentenversicherung die zusätzliche private Vorsorge ergänzen oder bestenfalls sogar ersetzen.

Du bist tarifbeschäftigt, weil du mit Anfang 40 als Lehrerin nicht mehr verbeamtet werden konntest. In welchem Verhältnis stehen aus deiner Sicht Berufserfahrung und Rente zueinander?

Bei mir persönlich hat sich meine langjährige Berufserfahrung vor dem Studium der Berufsschulpädagogik nur für meine Berufszufriedenheit gelohnt. Als ehemalige Krankenschwester weiß ich natürlich genau, welche Theorie- und Praxisbezüge wichtig sind, und erfahre viel positive Anerkennung durch die von mir ausgebildeten zukünftigen Sozialassistent*innen. Für die Rente hat es sich leider in keiner Weise ausgezahlt, dass ich erst so spät Lehrerin wurde. Meine Betriebsrentenansprüche aus der Zeit als Krankenschwester in Hamburg habe ich verloren.

Da ich nicht vorher unterrichtet habe, konnte ich keine förderlichen Zeiten einbringen. Die Altersgrenze für die Verbeamtung hatte ich überschritten und der Mangelfacherlass bezog sich in meinem Einstellungsjahr nicht mehr auf die Fachrichtung Gesundheit. So wurde ich trotz Erfüllung aller Voraussetzungen als Tarifbeschäftigte eingestellt. Und nachdem der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder den alten Bundangestelltentarifvertrag ersetzt hat, war nach fünf Erfahrungsstufen Schluss. Da freut es mich natürlich sehr, dass es nach den letzten Tarifverhandlungen eine sechste Erfahrungsstufe geben wird. Aber die Einkommensunterschiede zwischen Beamt*innen und Tarifbeschäftigten bleiben und beziehen sich natürlich nach dem Erwerbsleben auch weiter auf den Unterschied zwischen Rente und Pension.

Ich habe mich mit Hinweis auf meine Berufserfahrung vergeblich um eine Einzelfallentscheidung bemüht bis hin zu einer Petition im Landtag. Jedoch kann im Beamt*innenrecht nicht verhandelt werden und die Anhebung der Altersgrenzen sind für mich wie für viele andere Kolleg*innen zu spät gekommen.

Negativ wird es sich ebenso auf die Rentenhöhe auswirken, dass ich wie andere Tarifbeschäftigte mit Hinweis auf das Tarifgefüge darauf verzichten werde, mich weiter auf ein Beförderungsamt zu bewerben. Hier hätte ich mir eindeutig – zumindest für die Lehrkräfte am Berufskolleg – ein Tarifsystem oder Regelungen gewünscht, mit denen flexibler auch die Berufserfahrung honoriert wird.

Viele Tarifbeschäftigte im Bildungsbereich müssen mit einer kleinen Rente auskommen. Aus deiner Erfahrung als Personalrätin: Was sind die Gründe dafür? Was müssen Betroffene bei ihrer Altersvorsorge bedenken?

Wer erst nach längerer Berufstätigkeit ein Studium beginnt, muss sich zumeist um die Finanzierung selbst kümmern. Das bedeutet häufig Doppelbelastung durch Teilzeitbeschäftigung, BAföG-Schulden, größerer Druck durch bereits höhere Lebenshaltungskosten oder sogar unterhaltspflichtige Kinder. Diese Faktoren verlängern die Studienzeit und stellen zusätzlich auch ein Gesundheitsrisiko dar. Frühere Selbstständigkeit und Ausfallzeiten für die Kindererziehung bedingen außerdem fehlende Rentenbeiträge und somit eine geringere Rente.

Betroffene sollten sich einen genauen Finanzplan erarbeiten, welche Geldbeträge pro Jahr für die Vorsorge erübrigt werden können. Bei der Anlage sollte unbedingt die Möglichkeit staatlicher Zuschüsse oder Steuerersparnisse genutzt werden. Damit meine ich Riesterrentenverträge oder die Möglichkeit per Entgeltumwandlung höhere Beiträge in die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) einzuzahlen. Damit wird die Anwartschaft auf Betriebsrente auf freiwilliger Basis erhöht. Die VBL arbeitet auf Anfrage individuelle Modelle aus.

Und wie muss sich das Rentensystem verändert, um fair um sein?

Meines Erachtens kommt im Moment das Gefühl der Ungerechtigkeit vor allem bei denjenigen auf, die nur auf die staatliche Rente angewiesen sind. Da wird es als ungerecht empfunden, wenn in manchen Industriezweigen über Jahre hinweg hohe Betriebsrenten oder günstige betriebliche Regelungen ausgehandelt wurden. Das kann aber in keiner Weise auf das staatliche System übertragen werden und ich finde auch nicht, dass es sich daran messen lassen muss.  

Diskutiert werden muss sicher noch einmal die Möglichkeit einer Grundrente für alle. Und fair bleibt das Rentensystem, wenn die Anpassung an die Lohnsteigerung beibehalten wird.

Was würdest du Berufseinsteiger*innen in Sachen Lebensplanung und Altersvorsorge raten?

Als Personalrätin und Gewerkschafterin rate ich jeder Lehrkraft, vor allem auf die seelische und körperliche Gesundheit zu achten. Die Möglichkeit, mit Freude und Elan diesen Beruf bis zum Rentenalter auch wirklich auszuüben, ist die beste Altersvorsorge überhaupt.

Gerade beim Berufseinstieg ist es wichtig, sich geeignete Arbeitsweisen und Strukturen anzueignen, Synergieeffekte zu nutzen und auf Teamarbeit zu bauen. Bei Problemen sollte man frühzeitig Hilfe einfordern, geeignete Hilfsangebote gibt es genug. Nicht zuletzt rate ich natürlich den Berufsanfänger*innen, der GEW NRW beizutreten, da eine starke Gewerkschaft ihnen immer mit Rat und Tat zur Seite stehen wird und Ihnen Kontakte auch über die eigene Schulform hinaus anbietet.

Die Fragen stellte Jessica Küppers, Redakteurin im NDS Verlag.