Am 18. Juni 2018 lud die Fachgruppe Grundschule der GEW NRW zum ersten Fachgespräch Grundschule ein, um gemeinsam mit dem Bildungswissenschaftler Prof. i.R. Dr. Jörg Ramseger und Vertreter*innen politischer Parteien auszuloten, wie die Zukunft der Grundschule in NRW gestaltet werden muss.
Wo liegen die Ursachen für den Lehrkräftemangel an Grundschulen?
Als politische Vertreter*innen waren beim Fachgespräch Grundschule der GEW NRW dabei Frank Rock von der CDU, Jochen Ott von der SPD, Franziska Müller-Rech von der FDP und Peter Nink für die DIE GRÜNEN in Vertretung von Sigrid Beer, die kurzfristig verhindert war.
In der Gesprächsrunde dominierte das Thema Lehrkräftemangel. Die Vernachlässigung einer frühzeitigen Bedarfsermittlung und der Verzicht auf Steuerung des Angebots an Studienplätzen haben zum aktuellen Lehrkräftemangel geführt, erläuterte Erziehungswissenschaftler Prof. i.R. Dr. Jörg Ramseger mit Blick auf die Politik.
Die Bedarfsanalyse wurde von der schwarz-gelben Landesregierung inzwischen vorgelegt und verdeutlicht das ganze Ausmaß des Desasters. Versuche, den Mangel mit Hilfe von Quer- und Seiteneinsteiger*innen zu beheben, bezeichnet Jörg Ramseger als Dequalifizierungsstrategie, die in groteskem Widerspruch zu den Anforderungen an die Grundschulpädagogik stehe.
Was kann das Land NRW vom Stadtstaat Berlin lernen?
Die Analyse, dass der Lehrkräftemangel aktuell die größte Herausforderung für die Bildungspolitik darstellt, teilen die Vertreter*innen der Parteien. Auch bei der Frage, an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, sind Gemeinsamkeiten erkennbar: Es müssen mehr Lehrkräfte grundständig ausgebildet werden. Seiten- und Quereinsteiger*innen müssen besser qualifiziert werden. Wie den Schulen in einem schwierigen sozialen Umfeld geholfen werden kann, darüber gehen die Meinungen auseinander.
Frank Rock von der CDU spricht in dem Zusammenhang von einer „Flucht aus sozial benachteiligten Regionen“. Die GEW NRW fordert die umfassende Verbesserung der Bedingungen an diesen Schulen, ein Aussetzen schulscharfer Einstellungen zugunsten eines Listenverfahrens und Zulagen für die dort Beschäftigten. Erziehungswissenschaftler Jörg Ramseger beschreibt, dass vergleichbaren Schulen in Berlin erhebliche Finanzmittel zur freien Verwendung zur Verfügung gestellt werden, um beispielsweise zusätzliches Personal beschäftigen zu können.
Welche konkreten Maßnahmen ergreift die Politik?
Als vordringliche Aufgaben für die Zukunft der Grundschulen in NRW nannten die Politiker*innen unterschiedliche Ansätze. Im Einzelnen erläuterten die geladenen Vertreter*innen der vier Parteien, ihre Forderungen, Vorhaben und bereits eingeleiteten Maßnahmen.
Franziska Müller-Rech, FDP
- Dem Lehrkräftemangel muss entgegengewirkt werden. Die Landesregierung hat 340 neue Studienplätze geschaffen und geht mit dem Modellprojekt „Topsharing“ neue Wege zur Gewinnung von Schulleitungen.
- Quereinsteiger*innen aus der Sekundarstufe II sollen eine langfristige Bleibeperspektive bekommen. Bei Seiteneinsteiger*innen ist die persönliche Eignung ausschlaggebend, die Fachdidaktik muss vermittelt werden.
- Inklusion und Integration müssen verbessert werden. Dafür sind die 600 neuen Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte ein Anfang. Im Masterplan Grundschule sollen weitere Weichen gestellt werden.
- Der Ganztag braucht Qualitätsstandards.
- Bei der Einstellung darf es keine Zwangszuweisung zu Schulen geben.
Eine Besoldungserhöhung auf A13 ist nur mit einem Stufenplan umsetzbar.
Frank Rock, CDU
- Für Integration und Inklusion müssen Voraussetzungen geschaffen werden, die das Unterrichten an jedem Schulstandort wieder möglich machen.
- Die Schuleingangsphase muss kindgerechter gestaltet werden, dazu gehören kleine Lerngruppen und der Einsatz verschiedener Professionen. Lernen, Erziehung und Bildung sollen dabei einen Dreiklang bilden.
- Die Qualifizierung der Seiteneinsteiger*innen muss verbessert werden.
- Das schulscharfe Auswahlverfahren ist wichtig, damit die Schulleitung die Möglichkeit hat, passende Kolleg*innen auszuwählen.
- Die Möglichkeit der Eltern, den Besuch einer Förderschule zu wählen, soll durch einen neuen Mindestgrößenerlass gewährleistet werden.
Peter Nink, DIE GRÜNEN
- Die Mitarbeiter müssen gestärkt werden. Sie brauchen vor allem Zeit für individuelle Zuwendung und Begleitung und müssen ihre Arbeit gut bewältigen können.
- Schulleitung muss attraktiver werden.
- Schulen brauchen gute Konzepte, dabei ist die gesunde Schule vorrangiges Ziel.
- Kleinere Klassen sind wichtig.
Jochen Ott, SPD
- Schulische Inklusion muss umgesetzt und Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel ergriffen werden. Dazu zählen:
- Die Umsetzung von A 13/EG 13 für alle Lehrkräfte sowie die Änderung des Laufbahnrechts, damit Lehrkräfte an allen Schulformen eingesetzt werden können.
- Die Hochschulfreiheit muss eingeschränkt und die Universitäten zur Lehrer*innenausbildung verpflichtet werden.
- Seiten- und Quereinsteiger*innen müssen qualifiziert werden sowie verschiedene Professionen an den Grundschulen zum Einsatz kommen.
- Es sollte über die Einführung einer „Buschzulage“ nachgedacht werden, um das Arbeiten in besonders vom Lehrkräftemangel betroffenen Kommunen und Stadtteilen attraktiver zu gestalten.
- Die Verteilung sächlicher und personeller Ressourcen muss nach einem Sozialindex erfolgen.
Wie kann der Aufbruch so gestaltet werden, dass Lehrkräfte nicht zusätzlich belastet sind?
Laufbahnrechtliche Hürden für Kolleg*innen mit anderem Lehramt verhindern den Verbleib von Lehrkräften der Sekundarstufen I und II an Grundschulen, selbst wenn sie bleiben möchten. Das wird unter anderem von der schulpolitischen Sprecherin der FDP Franziska Müller-Rech bedauert. Die GEW NRW regt an, Maßnahmen zur Behebung des Lehrkräftemangels in einem bildungspolitischen Konsens über Parteigrenzen hinweg zu entwickeln. Lösungsansätzen, die zu einer Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung oder zu Fortbildungspflichten in den Ferien führen, erteilt die GEW NRW eine deutliche Absage. Äußerungen der Ministerin zur Mehrarbeit und Forderungen von Elternverbänden haben bereits für Unruhe in den Lehrerzimmern gesorgt.
Susanne Huppke, Mitglied im Leitungsteam der Fachgruppe Grundschule der GEW NRW