Easy study? 20 Jahre Bologna

Europaweit studieren: Funktionieren Bachelor und Master ganz einfach für alle?

Die Europawahl steht an und mit ihr ein Jubiläum: 20 Jahre Bologna – seit 1999 steht die italienische Universitätsstadt für eine europäische Studienreform. Ihre Bilanz für Deutschland ist zwiespältig.
Easy study? 20 Jahre Bologna

Foto: nd3000/Fotolia

Eine der Kernideen der Bologna-Reform war die Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulsystems mit vergleichbaren Studienstrukturen mit den Abschlüssen Bachelor und Master. Dabei wurden in Deutschland gravierende Fehler gemacht.

Lehrer*in werden: Ohne Master läuft nix!

Zum einen wurden Bachelor und Master auf Biegen und Brechen durchgesetzt – auch wenn ein berufsqualifizierender Abschluss auf Bachelorniveau gar nicht möglich ist. So lässt kein einziges Bundesland Bachelorabsolvent*innen ins Lehramtsreferendariat. Zu Recht: Die Anforderungen an den Lehrberuf sind so komplex, dass ein Abschluss auf Masterniveau erforderlich ist.

Schlimmer noch: Die Länder haben bewusst darauf verzichtet, für einen reibungslosen Übergang vom Bachelor- zum Masterstudium zu sorgen: Die Zulassung zum Master scheitert nicht selten am Numerus clausus. Viele Lehramtsstudierende haben dann zwar einen Bachelor in der Tasche, stehen aber dennoch mit einer halbfertigen Ausbildung auf der Straße.

Von wegen mobil: Zu große Hürden für europäische Studierende

„Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet“ – dieser Spruch sagt aus, was Bologna in Sachen Mobilität gebracht hat. Zwar hat sich die Auslandsmobilität von Fachhochschulstudierenden geringfügig verbessert, an den Universitäten stagniert sie jedoch, in den Bachelorstudiengängen gibt es sogar eine rückläufige Entwicklung. Besonders große Mobilitätshürden gibt es für Kinder aus Familien mit geringem Einkommen.

Hochschulen und Kultusministerkonferenz (KMK) räumen ein, dass neben sozialen und finanziellen Hürden vor allem Anerkennungsprobleme die Mobilität erschweren. Die von ihnen angebrachten Lösungsvorschläge – gemeinsame Austauschprogramme und Mobilitätsfenster im Curriculum – greifen zu kurz: Wir brauchen keine Insellösungen für wenige, sondern ein Recht auf Auslandsstudium für alle, die es möchten.

Weniger Module und mehr Freiheiten im Studium unbedingt nötig!

Ein weiteres, nicht weniger großes Problem: Die Module in diversen Studiengängen spielen verrückt. Bürokratisierung und Überregulierung, Verschulung und Verdichtung des Studiums, Übermaß an Workload und Prüfungslast – das Modulhandbuch ist zum Schrecken von Studierenden und Lehrenden geworden. Mit der Modularisierung sind die deutschen Bundesländer weit über die Vorgaben der Bologna-Erklärung hinausgeschossen, die nur ein Anrechnungssystem nach Vorbild des European Credit Transfer System (ECTS) vorsieht. Höchste Zeit, dass hier wieder zurückgerudert und den Studierenden mehr Freiheit gegeben wird.

Mehr Beteiligung: Studierendenvertretungen und Gewerkschaften reden mit

Ein großer Pluspunkt der europäischen Hochschulreform ist indes die Beteiligung von Studierendenvertretungen und Bildungsgewerkschaften in den Steuerungsgremien des Bologna-Prozesses. Sie sind auch im deutschen Akkreditierungsrat vertreten, der die Qualität von Bachelor- und Masterstudiengängen prüft. Studierende und Gewerkschaften konnten wichtige Zielsetzungen auf der Bologna-Agenda verankern, die ursprünglich nicht vorgesehen waren.

So gehört inzwischen die soziale Dimension des europäischen Hochschulraums zum Bologna-Programm. Chancengleichheit beim Hochschulzugang und im Studium, eine wirksame Ausbildungsförderung, eine leistungsfähige soziale Infrastruktur an den Hochschulen stehen heute auf der Bologna-Agenda.

Auf der Agenda: Hochschullehrende und wissenschaftliche Mitarbeiter*innen

Der GEW und den anderen Bildungsgewerkschaften in Europa ist es gelungen, die Unterstützung der Lehrenden auf die Tagesordnung zu setzen. Bologna bedeutet gerade für sie zusätzliche Herausforderungen, während sich gleichzeitig ihre Beschäftigungsbedingungen verschlechtern: In Deutschland werden neun von zehn wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen mit einem Zeitvertrag abgespeist. Damit werden nicht zuletzt die Kontinuität und Qualität der Lehre untergraben.

Bis zur nächsten Konferenz der europäischen Bildungsminister*innen 2020 in Rom müssen diese positiven Ansätze mit konkreten Maßnahmen unterlegt werden. In Deutschland muss die KMK endlich ihre Hausaufgaben machen: freien Zugang zum Masterstudium für alle, Entrümpelung der Modulhandbücher, faire Beschäftigungsbedingungen für die Lehrenden. 20 Jahre Bologna – so wird ein Schuh draus!

Dr. Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender und Vorstandsmitglied für Hochschule und Forschung der GEW